[New post] „Geschichte aus der Kinderperspektive zu erzählen ist höllisch schwer“
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Ich als alter Geschichte-LK-Nerd habe ich mich tierisch gefreut, als ich erfahren habe, dass ich euch das neue Kinderbuch "In einem alten Haus in Berlin" vorstellen darf. Und wie schön ist es, dass ihr mit euren Kindern Geschichte live erleben könnt! Am 2. Juli erwartet euch ein ganz besonderer Museumssonntag im Museum Knoblauhaus und Museum Nikolaikirche. Das Stadtmuseum und der Gerstenberg Verlag laden Kinder und Familien zwischen 11.00 und 17.00 Uhr zu einer Buchpremiere mit Mitmachprogramm ein. Der Eintritt und die Aktionen sind kostenfrei. Mehr zum Tag und zum Programm erfahrt ihr hier.
Online-Tickets könnt ihr für die zwei Standorte ab dem 25.06. hier buchen:
Tickets gibt es aber auch in größerer Zahl an der Kasse vor Ort. Für Kurzentschlossene lohnt es sich, einfach vorbei zu schauen.
Um euch schon vorher in den Entstehungsprozess des Kinderbuches zu geben, folgt hier das Interview mit der Autorin Kathrin Wolf und der Projektleiterin Constanze Schröder vom Stadtmuseum Berlin.
Haben die Menschen wirklich mal mit Geldscheinen geheizt? Kathrin: Ja, es gab eine Zeit, als der Brennwert der Geldscheine deren Kaufkraft überstieg.
150 Jahre deutsche Geschichte, das hört sich doch langweilig an, oder?
Kathrin: Also das würde ich niemals sagen, aber ich bin da natürlich auch vorbelastet. Schon als Kind hat es mir viel Freude gemacht an Stadtführungen oder Führungen durch Kirchen und Museen teilzunehmen und währenddessen und auch danach viele Fragen zu stellen. Und meine Lieblings-Gutenachtgeschichten waren die, als meine Mutter „von früher", also der Zeit, als sie selbst ein Kind war, erzählt hat.
Unter uns: wie kriegen wir unsere Kinder dazu, sich für die Geschichte ihrer Stadt zu interessieren?
Kathrin: Vielleicht einfach durch Geschichten. Am besten natürlich solche, zu denen sie einen emotionalen Bezug haben, ähnlich wie die Erzählungen „von früher" meiner Mutter. Von da aus habe ich mich weiter in die Vergangenheit gefragt und über die eigene Familiengeschichte auch einiges über meine Heimat – in meinem Fall war das nicht Berlin – erfahren. Deshalb ist natürlich auch der Ansatz des Buches, Kinder ihre eigenen Geschichten erzählen zu lassen, eine Möglichkeit, weiterführendes Interesse zu wecken.
Constanze, wie würdest du den Auftrag des Museumssonntags beschreiben? Constanze: Wir möchten an den eintrittsfreien Museumssonntagen Berlinerinnen und Berliner in den Häusern des Stadtmuseum begrüßen, die vielleicht sonst selten oder gar nicht in Museen gehen. Der Eintritt kann eine Schwelle sein und wir möchten einen Zugang ermöglichen, ohne die Hürde des Eintrittspreises. Um diese ersten Sonntage im Monat attraktiv zu gestalten bieten wir Programm für Alle an. Dabei setzen wir nicht auf Vertiefung von Ausstellungsinhalten, Vorträge oder Gespräche von Expert:innen untereinander. Unser Programm ist bunt gemischt, unterhaltsam für Groß und Klein. Beim Museumssonntag können alle kurz vorbeischauen oder sich lange in den Ausstellungen aufhalten, ein Programm wahrnehmen oder mitmachen, beispielsweise bei unseren Drop Ins für Familien. Wenn die Museumsonntage unterhaltsam sind, jeder etwas für sich findet, die Menschen sich im Museum begegnen und austauschen, das Publikum dem Bild auf den Berliner Straßen und Plätzen entspricht und sich alle wohlfühlen und gerne wiederkommen, dann ist für mich der Auftrag erfüllt.
Und welche Rolle spielt dabei das Buch „In einem alten Haus in Berlin"? Constanze: Für Kinder und Jugendliche sind die Museen des Stadtmuseums Berlin wichtige Orte, um die Geschichte ihrer Stadt kennenzulernen. Außerdem vermitteln wir schon den Jüngsten, was ein Museum eigentlich macht: Wie finden Objekte ihren Platz in Ausstellungen? Wer entscheidet, was gezeigt wird? Und wie soll das Museum der Zukunft aussehen? Das Buch „In einem alten Haus in Berlin" vereint innovativ beide Anliegen: Es vermittelt gleichermaßen anschaulich die Stadtgeschichte und die Arbeit eines Museums.
Das Stadtmuseum Berlin hat eine umfangreiche Museumssammlung und diese möchten wir einer breiten Öffentlichkeit und vielfältigen Nutzung zugänglich machen. Mit diesem Berlin-Buch für Familien schafft das Museum einen ganz neuen Zugang zu der mehrere Millionen Objekte umfassenden Sammlung. Auch wenn nur wenige Objekte es auf die Buchseiten geschafft haben, zeigen sie doch, warum ein Museum sammelt und wie mit Objekten Geschichten erzählt werden kann. Unser Anliegen ist es, Kinder schon früh für die Geschichte der Stadt zu begeistern und zu zeigen, dass es immer viele Perspektiven gibt. Ich würde mich freuen, wenn die Kinder nach der Lektüre neugierig auf Berlin und auf Museen werden und sie ihre Familie drängeln, die Ausstellungen zu besuchen.
Was erwartet uns am 2. Juli im Museum Nikolaikirche und Museum Knoblauchhaus? Kathrin: Da kann ich mich auch nur überraschen lassen; denn ich habe zwar einen Ablaufplan, aber auch die Erfahrung, dass die beste Planung mit der Stimmung vor Ort steht oder fällt. Ich würde mich freuen, wenn zahlreiche, gut gelaunte und interessierte Besucherinnen und Besucher, groß oder klein, am 2. Juli den Weg in die Nikolaikirche finden würden. Darüber hinaus freue mich auch, vor Ort meine liebgewonnen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen wiederzusehen und gemeinsam anzustoßen.
Wer entscheidet, dass Kathrin Wolf und Isabel Kreitz das Buch machen dürfen? Constanze: Das hat der Gerstenberg Verlag entschieden. Kathrin Wolf hat als Volontärin am Stadtmuseum gearbeitet und ich hatte sie dem Verlag als Autorin empfohlen. Ich wusste, wie wichtig Katrin die Vermittlung im Museum ist, wie sie Objekte hinterfragt und Narrative schafft, also Zusammenhänge in erzählender Form zwischen den Objekten herstellt. Das erschien mir ein wunderbarer Zugang für das Buch. Das Besondere an diesem Buch ist für mich, dass die Autorin in der Sammlung des Stadtmuseums für die Geschichte eines Berliner Miethauses recherchiert hat und Objekte der Sammlung der Illustratorin als Vorlagen dienten. Isabel Kreitz hat der Verlag vorgeschlagen und ich war ganz begeistert, als ich die ersten Entwürfe sah.
Wie bist du bei der Recherche vorgegangen, Kathrin? Kathrin: Ich habe mir zahlreiche Dokumentationen über Berlin und Zeitzeugeninterviews angeschaut und angehört. So war es mir wenigstens im Ansatz möglich, ein Bild der Stadt zu Zeiten zu bekommen, die ich selbst nie erlebt habe. Und ich habe natürlich einfach viel dazu gelesen. Eine wichtige Grundlage war auch die Tatsache, dass ich vor einigen Jahren beruflich im Stadtmuseum tätig war, mich dort mit den historischen Objekten befasst habe und dabei den Erzählungen meiner Berliner Kolleginnen und Kollegen gelauscht habe. Museumsobjekte spielen im Buch neben den Kindern ja auch eine Rolle.
Und wie schafft man es, in einem Kinderbuch und aus der Kinderperspektive besonders authentisch zu erzählen? Kathrin: Ich werte diese Frage einmal als Feststellung, dass mir das wohl gut gelungen sein muss. Ich habe mich schon während meines Studiums mit dem Storytelling, das ist eine Methode, wie Informationen erzählerisch vermittelt werden, befasst. Dabei werden vielfach Emotionen angesprochen und dadurch prägt sich das Wissen mitunter tiefer ein. Wie ich feststellen muss, drehe ich mich im Kreis; denn bin ich schon wieder bei den Gutenachtgeschichten „von früher" – mir wird fast schwindelig.
Festzuhalten bleibt aber: Die Seiten, auf denen die Kinder zu Wort kommen, haben mir besondere Freude beim Schreiben bereitet. Ich war sehr begeistert, dass es Isabell Kreitz so wunderbar gelungen ist, das, was ich dabei gesehen und gefühlt habe, zeichnerisch wiederzugeben.
Auf den Seiten zu den historischen Ereignissen, konnte ich dafür den Erklärbär in mir herauskehren. Ich hoffe, dass nicht allzu viele Kinder denken: Langweilig, das weiß ich schon ewig. Das hab ich schon tausendmal gehört. Das passiert mir nämlich manchmal bei meinem Sohn, wenn ich zu sehr anfange auszuholen. Er ist immerhin schon erfahrene fünf Jahre alt.
Wie verlief die Auswahl der historischen Ereignisse? Kathrin, warum wurde es eine Apotheke? Kathrin: Dazu existierte bereits eine Ideenskizze vonseiten des Verlags. Aufbauend auf dieser, habe ich gemeinsam mit der Lektorin Dagmar Schemske überlegt, ob das so funktionieren kann, und dann haben wir auch noch einmal Änderungen vorgenommen.
Ist es schwieriger oder einfacher komplexe historische Ereignisse aus der Kinderperspektive zu erzählen? Kathrin: Das ist höllisch schwer. So ganz prinzipiell habe ich ja einen akademischen Hintergrund, und gerade bei meiner derzeitigen Tätigkeit als Stenografin im Hessischen Landtag, muss ich doch feststellen, dass ich ab und zu zur Wortklauberei neige. Deshalb galt es für mich beim Schreiben, einen Schritt zurückzutreten und zu überlegen, wie ich diese sehr komplexen – im Buch hätte ich jetzt natürlich eher schwierig geschrieben – Zusammenhänge verständlich machen kann. Die weitere Herausforderung für mich war es, die vorgegebene Zeichenzahl dabei einigermaßen einzuhalten. An der Stelle gilt es auch, mich bei den Layoutern und Setzern zu bedanken, die ein paar Zeichen mehr möglich gemacht haben.
Waren manche Zeitabschnitte schwieriger umzusetzen als andere? Ja, der Erste und Zweite Weltkrieg haben mich schon ordentlich gefordert. Da sind einfach viele Dinge passiert. Eins hat zum anderen geführt, alles ist irgendwie miteinander verwoben. Dabei in der Verkürzung die Geschichte nicht gänzlich falsch darzustellen, war schon nicht ganz einfach. Ich war dankbar, dass meine Lektorin Dagmar Schemske noch einen Historiker zu Rate gezogen hat, um noch einen unbefangenen Blick auf die Darstellung der historischen Ereignisse zu werfen. Ich habe zwar selbst etwas mit Geschichte – Kunstgeschichte – studiert, aber eine zweite Meinung dazu war durchaus sinnvoll.
Im Kinderbuch befinden wir uns eher im bürgerlichen Milieu, wie schafft ihr es, andere Lebensrealitäten abzubilden? Kathrin: Ja, viele der Geschichten spielen in der Beletage. Aber wir wagen auch einen Blick in die Nachbarschaft, z. B. ins Dachgeschoss, wo sich die Situation schon deutlich unterscheidet.
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